Schule Bahrenfelder Straße

Bericht über die Projektwoche

‚Maus unter!’

Projektwoche Grundschule Bahrenfelder Straße

April 2016

Im angesagten multikulturellen Stadtteil Ottensen, hinter dem Bahnhof Hamburg-Altona, zwischen teuren Wohn-Lofts, Verlagshäusern, Werbeagenturen, Krämerläden, Restaurants aus aller Welt, Ateliers und bunten, kleinen Nebenstraßen gibt es eine Grundschule. Eine ganz besondere: nämlich eine Kultur- und Literaturschule, die nicht nur mit dem Theater Junges Schauspielhaus, direkt gegenüber auf einem malerischen, anregenden Hinterhof, einen engen Kontakt pflegt (TUSCH- Theater und Schule). Künstler verschiedener Richtungen unterstützen regelmäßig, gemeinsam mit hoch aktivierten und begeisterten Lehrkräften Aktionen und Projekte in dieser Schule.

 Zum ersten Mal, seitdem Britta Heils ab 1. Februar 2016 dort die Leitung der Schule übernommen hat, war ich Gast in einer Projektwoche, die mich staunen ließ, mich mitriss und absolut begeisterte und beglückte.

Frau Heils und ich kennen uns seit drei Jahren und haben gemeinsam das zweijährige Projekt ´Jung trifft Alt – Alt trifft Jung´ an der Grundschule Marschweg in Rissen durchgeführt.

Frau Heils zeigte mir an einem Tag in den Frühjahrsferien die ganze Schule auf dem riesigen Gelände. Schon damals war ich beeindruckt von den vielen Kunstwerken der Kinder, die in allen Gebäuden zu finden sind, von den Möglichkeiten im Rahmen des Unterrichts, ausgeschöpft durch begeisterte Lehrkräfte, um damit fächerübergreifend kreativ tätig zu werden. Auch die beiden großen Bücherbestände der Bibliotheken für die Kinder: wunderbar!

 Dann, am 12.04, gingen wir mit einem Teil der Schulkinder ins JungesSchauspielHaus Hamburg in der Gaußstraße, gleich gegenüber vom Haupteingang der Schule. Das hinreißende Theaterstück ‚Maus unter’ von Hermann Brook wurde auf einem fantasievollen Kletter- und Rutschparcours von drei Künstlern gespielt, von denen zwei als verwirrte Mäuse im Unterirdischen unterwegs sind und nicht wissen, wie sie dort gelandet sind. Auch ihre Namen haben sie vergessen.

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Haupttenor ist die wichtige Lebensfrage nach der eigenen Identität: Wer oder was bin ich? Wo ist mein Zuhause? Geholfen wird ihnen bei der Lösung des großen Rätsels von Erdreichbewohnern wie einer hektischen Kellerassel, einem durchgeknallten Wurm und einem blinden, schräg debattierenden Maulwurf.

In mehr als einer Stunde saßen die Kinder konzentriert da, lachten an Stellen, an denen Frau Heils ich nicht lachten (aber das ist ja die Kunst, Kinder genau dort zum Lachen zu bringen) und es war erstaunlich ruhig während der ganzen Aufführung. Da habe ich andere Erfahrungen gemacht, wobei Kinder mit Programmzetteln warfen, aufstanden und herumliefen, sich laut unterhielten. Hier nichts von alledem. Dieses Theaterstück sollte die Basis werden für eine ganze Projektwoche, in dem dieses vielseitige Theaterstück ausgiebig umgesetzt und interpretiert werden sollte.

Film, Theater, Musik, Schreiben, Kunst, Malen und Basteln waren die Medien, in denen eine Woche lang gemeinsam mit allen Kindern in verschiedenen Gruppen aktiv und originell gearbeitet wurde.

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Am Donnerstag, den 21. April, gingen Frau Heils und ich durch sämtlich Räume, um Kinder und Lehrkräfte bei den letzten Handgriffen erleben zu dürfen, denn am Freitag war ja schon die Präsentation, und zwar ab 15.00 Uhr.

Was ich während des Rundgangs zu sehen bekam, war für mich als Schriftstellerin, die selber Kreatives Schreiben anbietet, voller Überraschungen. Der Ideenreichtum war überwältigend, die Kinder zeigten mir überall sofort, woran sie arbeiteten, wie es weitergehen sollte, und was ihnen noch vorschwebte.

 Da war ich natürlich total gespannt auf den Freitag und versuchte im überfüllten Theaterraum (Aula) irgendwo zwischen all den Eltern und anderen Neugierigen (denn ich war extrem neugierig) einen Steh-Platz zu finden, damit ich einigermaßen sehen, hören und genießen konnte. Das war ja fast professionell, was dort an Liedern und Tänzen präsentiert wurde, inklusive Kostüme und Masken! Die unterstützenden Profikünstlerinnen hatten wirklich innerhalb von einer Woche musikalische Kurzweil zu ‚Maus unter’ einstudiert, die Begeisterungsstürme auslöste, mit Recht. Dann ging mein Rundgang weiter, zunächst durch das Treppenhaus am Eingang, wo ich staunend vor den großformatigen Bildern stand aus einer 1. Klasse (in Worten: Ersten!). Mir schwebte eine Parallele vor zu den Hamburger ´Schlumpern´ (Künstler, die in der Marktstraße im Hamburger Karolinenviertel ihre Ateliers haben und inzwischen vom Verkauf ihrer Werke sich teilweise selbst finanzieren und davon leben können). Die Schlumper, die ähnlich wie Kinder ungeniert und hemmungslos drauf losmalen, ohne sich um einen vorgegebenen Stil, Effekt, Auflagen, oder was auch immer scheren. Bravo! So stelle ich mir freie Kunstgestaltung und Kinder in Schulen  vor, ohne Lineal und andere ‚Marterwerkzeuge’, die Kreativität erfolgreich abtöten können.

Die gemütlichen Guckkästen mit den Wohnungen der Mäuse vor den großen Bildern, fast hätte ich heimlich einen mitgenommen. Aber wirklich nur fast, weil sie so wunderbar kuschelig und heimelig waren, wobei sich jede Maus sauwohl gefühlt haben muss.

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Eines meiner Lieblingsräume war das Fundbüro, mit Eintrittsticket, einem handgeschriebenen Flyer, und mit Dingen, die man verlieren kann, wenn man gar nichts mehr weiß, wer man ist, wo man ist, und dabei schusselig werden kann. Das Alter spielt nicht unbedingt eine Rolle, das zeigten mir auch die Texte, die zu den gebastelten Verlustgegenständen lagen. Den Elefanten, mein Lieblingstier, habe ich ganz vorsichtig gestreichelt. (Elefanten mögen das, ich tu das immer, wenn ich in Indien bin) und ihn, trotz der Versuchung , liegen gelassen, weil sein Eigentümer ihn bestimmt im Fundbüro wieder abholen möchte.

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Mäuse, überall, wo man hinsah, unterirdische Gänge, bunte Klanginstallationen, Kribbel-Krabbel-Würmer und -Asseln, Gefühle im Dunkeln (ich durfte am Vortag schon mal fühlen, aufregend, was sich die Kinder in den Fühlkästen ausgedacht hatten!), und dann, ja dann sah ich die geschriebenen und illustrierten Lebensbücher. In meinen Schreibwerkstätten sind oftmals Erwachsene, die sich unsagbar schwertun mit ihren Biografien. Gut, sie sind schon einiges länger auf diesem Planeten, aber das hat mit Intensiverlebnissen und –Erfahrungen nicht immer zu tun. Auch Kinder finden, dass sie schon lange hier sind und Ergreifendes, Wichtiges erlebt haben, und für sie sind alt und lang, manchmal 3 Jahre (bei Erwachsenen eventuell vergleichsweise 30 Jahre).

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Wie lange ich da noch stand, weiß ich nicht mehr, inmitten von Kunstwerken, von Geräuschen und wuselnden Kindern, stolzen Kindern vor allem, von lächelnden und genießenden Eltern, eingebettet in einer quietsch-vergnügten Menschenmenge, mit der es unendlich viel zu erleben und bewundern gab. In diese Schule wäre ich als Kind gern gegangen!

Mit diesem Bericht bin ich all dem, was es am Freitag, den 22. April, in der Schule zu ‚Maus unter’ zu spüren und zu fühlen gab, nicht gerecht geworden, ich weiß es.

Dieser Text war ein Versuch, und manchmal fehlen auch einer Schriftstellerin die Worte, das mögen mir alle bitte verzeihen.

Danke von ganzem Herzen für diesen kunterbunten Tag!

© Marie-Thérèse Schins

www.marie-therese-schins.de

27.04.2016